Psychosen
Unter dem Begriff „Psychose“ werden psychische Erkrankungen zusammengefasst, die mit Veränderungen vor allem des Denkens und der Wahrnehmung sowie auch des Fühlens und des Handelns einhergehen. Psychosen können viele Ursachen haben, sie kommen bei körperlichen Erkrankungen vor, bei Gebrauch von Drogen, im Rahmen von depressiven und manischen Störungen sowie in verschiedenen Formen auch als eigenständige Erkrankungen. Eine Unterform der Psychosen stellt die Schizophrenie dar, die wiederum unterschiedliche Verlaufsformen hat. Anders als typischerweise in den Medien dargestellt versteht man unter einer Schizophrenie also keine „zweigespaltene Persönlichkeit“ (z.B. „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“), sondern eine Psychose, bei der die Störungen von Denkprozessen einerseits und Antrieb, Interessen und Gefühlen andererseits besonders im Vordergrund stehen.
Notwendigkeit der Früherkennung psychotischer Erkrankungen
Psychotische Erkrankungen treten v.a. bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 35 Jahren erstmals auf, wobei 75-90% aller Patienten vor Ausbruch der Erkrankung unter Frühsymptomen, einer sogenannten Prodromalsymptomatik, leiden. Durch ein frühzeitiges Erkennen dieser Prodromalsymptome durch speziell geschulte Psychologen und Ärzte kann man Personen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko noch vor dem Ausbruch ihrer Erkrankung identifizieren und vorbeugend behandeln. Durch rechtzeitiges therapeutisches Handeln kann so möglicherweise eine Psychose verhindert werden, oder zumindest der Erkrankungsverlauf deutlich abgemildert werden.
Leider wird bis heute dieser therapeutische Idealfall in den allermeisten Fällen nicht erreicht. Bei einem Großteil der Patienten mit psychotischen Erkrankungen verstreicht ein mehrjähriger Zeitraum zwischen dem Auftreten erster Krankheitszeichen und dem Kontakt mit professionellen psychotherapeutischen oder psychiatrischen Versorgungseinrichtungen. Durch die zunehmenden psychischen Veränderungen kommt es häufig zu „unerklärlichen“ Spannungen zwischen dem Betroffenen, seiner Familie, dem Freundeskreis sowie dem schulischen oder beruflichen Umfeld. Wie in einem Teufelskreis fördern diese Spannungen eine Verschlechterung der Prodromalsymptomatik, sodass es schließlich zum Ausbruch der Erkrankung kommen kann.
Eine rasche und frühzeitige Erkennung der Anzeichen eines erhöhten Risikos ist somit die Voraussetzung, um gezielt mit einer vorbeugenden Therapie beginnen zu können. Die gezielte, und somit auf das individuelle Erkrankungsrisiko abgestufte Behandlung erfordert, dass dieses Risiko im Einzelfall auch richtig eingeschätzt wird. Allerding gibt es bis heute keine diagnostischen Verfahren, die dies ausreichend gewährleisten.
Mit unserem EU-geförderten Früherkennungsprojekte "PRONIA" möchten wir das ändern. Unser Ziel ist es, zuverlässige diagnostische Methoden auf der Grundlage bildgebungsbasierter, genetischer, neuropsychologischer und klinischer Informationen zu entwickeln. PRONIA wird diese Methoden dabei einer strengen wissenschaftlichen Prüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich für die individuelle Risikoeinschätzung brauchbare Ergebnisse liefern. Unser Projekt soll so einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit einem erhöhten Krankheitsrisiko frühzeitig erkannt und behandelt werden, und somit in Zukunft psychotische Erkrankungen vermieden werden.
Ursachen und Auslöser einer Psychose
Wie bei den meisten psychischen Erkrankungen geht man auch bei Psychosen davon aus, dass ihr Auftreten auf ein Zusammenwirken verschiedenster krankmachender Einflüsse zurückzuführen ist. Die folgende Liste ist eine Aufzählung der wichtigsten Risikofaktoren:
Familiäre Belastung:
Die Wahrscheinlichkeit an einer Psychose zu erkranken ist um etwa 8-10% erhöht, wenn Angehörige ersten Grades unter einer Psychose leiden; bei eineiigen Zwillingen kann dieses Risiko noch deutlich höher liegen. Man hat in der Forschung einige Gene entdecken können, welche das Auftreten einer psychotischen Erkrankung begünstigen.
Störungen in der Entwicklung:
Auch Störungen der fetalen Hirnreifung (z.B. durch Infektionen der Mutter während der Schwangerschaft oder Geburtskomplikationen) führen zu einem erhöhten Krankheitsrisiko.
Giftstoffe und Drogen:
Der Konsum von Giftstoffen und Drogen im Kindes- und Jugendalter erhöht das Erkrankungsrisiko deutlich. Cannabiskonsum erhöht das Risiko z.B. um das 2-3 fache.
Stress:
In Kombination mit anderen Risikofaktoren kann Stress oder ein ungesunder Lebensstil ein wesentlicher Risikofaktor für das Entwickeln einer psychotischen Erkrankung sein.
Veränderungen im Gehirn:
Des Weiteren gibt es bestimmte Veränderungen im Gehirn, welche mit einem erhöhten Risiko einhergehen, an einer Psychose zu erkranken. Dazu zählen u.a. vergrößerte Ventrikel sowie Volumenminderungen im Bereich des Frontalhirns, der Amygdala und des Hippocampus, der Basalganglien und des Kleinhirns.
Symptomatik
Symptomatik des Prodromalstadiums
In 75-90% der Fälle entwickelt sich mehrere Jahre vor Erstauftreten einer voll ausgeprägten Psychose ein sogenanntes „Prodromalstadium“ mit teilweise sehr unspezifischen Symptomen. Hier ist eine gründliche und sorgfältige Diagnostik erforderlich, da all diese Symptome nicht ausschließlich typisch für eine psychotische Erkrankung sind. Es kann z.B. auch eine Depression vorliegen, oder auch einfach nur eine ganz normale Krise im Rahmen der Pubertät.
- Störungen von Konzentration und Gedächtnis
- Depressive Verstimmungen
- Antriebsstörungen („Energielosigkeit“)
- Schlafstörungen
- Misstrauen und Gereiztheit
- Sozialer Rückzug
- Vernachlässigung der Körperhygiene
- Entwicklung merkwürdiger Ideen
- „(Leistungs-)Knick“ in der Lebenskurve
Symptomatik psychotischer Erkrankungen
Das Vollbild einer Psychose umfasst verschiedene Symptome, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen:
Positivsymptome:
(Diese Symptome führen meist zur Aufnahme in die Klinik)
- Störungen des Denkens: die Patienten können einem Gespräch nicht mehr folgen, die Gedankengänge des Patienten sind nicht mehr nachvollziehbar
- Gefühl, dass die eigenen Gedanken fremdgesteuert/eingegeben werden
- Das Gefühl, dass die Umgebung fremdgesteuert wird
- Das Gefühl, dass man beobachtet/verfolgt wird
- Dinge in der Umgebung werden auf sich bezogen („in der Tagesschau will der Moderator mir persönlich etwas mitteilen“)
- Wahrnehmungsstörungen / Halluzinationen (häufig hören die Patienten Stimmen)
Negativsymptome:
(Diese Symptome führen meist zu dem stärksten Rückgang an sozialer und beruflicher Leistungsfähigkeit)
- Weniger intensive Gefühle
- Das Spektrum an Gefühlen und Emotionen ist deutlich vermindert
- Antriebsstörungen („Energielosigkeit“)
- Verminderung der psychischen Leistungsfähigkeit
- Freud- und Interessenslosigkeit